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Aserbaidschan hat nach eigenen Angaben am Dienstag mit Militäreinsätzen in der Region Bergkarabach begonnen. Mehrere Städte der Kaukasus-Region sind am Dienstag nach Angaben örtlicher Behördenvertreter Aserbaidschans angegriffen worden. "Im Moment stehen die Hauptstadt Stepanakert und andere Städte und Dörfer unter intensivem Beschuss", erklärte die in Armenien ansässige Vertretung von Bergkarabach auf dem Onlinedienst Facebook. Aserbaidschan habe eine "groß angelegte Militäroffensive" gestartet.

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium in Baku teilte zuvor mit, die Angriffe richteten sich gegen armenische Kräfte und bezeichnete sie als "Anti-Terroreinsätze". Es wirft Armenien vor, dass es in den vergangenen Monaten "systematischen Beschuss" sowie Verstärkung von Angriffsstellungen armenischer Kräfte gegeben habe. Aserbaidschan setze nun "Hochpräzisionswaffen" ein, um Kampffahrzeuge und "militärische Ziele" der armenischen Truppen anzugreifen, heißt es weiter in einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums.

Zuvor wurden aserbaidschanischen Angaben zufolge sechs Menschen bei Minenexplosionen getötet. Aserbaidschanische Sicherheitskräfte hatten mitgeteilt, zwei Zivilisten seien auf einer Straße in Richtung der Stadt Schuscha im aserbaidschanisch kontrollierten Teil Bergkarabachs durch eine von armenischen "Sabotagegruppen" gelegte Mine getötet worden. Vier Polizisten wurden demnach später auf dem Weg zum Explosionsort bei einer weiteren Minenexplosion getötet. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Aserbaidschan blockiert Latschin-Korridor

Bereits in den vergangenen Monaten war die Sorge bei internationalen Beobachtern gewachsen, dass der Konflikt in der Region eskalieren könnte. Aserbaidschan hatte über mehrere Wochen hinweg den sogenannten Latschin-Korridor blockiert – die einzige Straße, auf der Lebensmittel, Medizin und Hilfsgüter nach Bergkarabach gelangen können. Die Region im Kaukasus, um die Armenien und Aserbaidschan in den vergangenen Jahren erbittert gekämpft haben, ist überwiegend von Armeniern bevölkert.

Die Öffnung des Latschin-Korridors wurde im Waffenstillstandsabkommen, das den Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan im Jahr 2020 beendete, vereinbart – und russische Friedenstruppen sollten dieses Abkommen überwachen. Doch dieses Vorhaben scheiterte. In den vergangenen Wochen waren die mehr als 100.000 Bewohner Bergkarabachs von der Außenwelt größtenteils abgeschnitten. Hier lesen Sie mehr dazu, wie es ihnen ergangen ist.

Die Vereinten Nationen warfen Aserbaidschan daraufhin in den vergangenen Wochen vor, eine humanitäre Krise in Bergkarabach zu schaffen. Der einstige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno Ocampo, bezeichnete das Vorgehen Aserbaidschans im Interview mit t-online als Völkermord. Der Konflikt um Bergkarabach

Der Konflikt ist einer der ältesten der Neuzeit. Die Führung der Sowjetunion sprach das überwiegend armenisch bewohnte Gebiet 1921 Aserbaidschan zu. Dagegen gab es in Bergkarabach immer wieder Proteste, bis Ende der 1980er-Jahre ein blutiger Konflikt ausbrach, in den schließlich auch Armenien einstieg und gemeinsam mit der Armee Bergkarabachs die Region unter ihre Kontrolle brachte. 2020 startete Aserbaidschan eine Offensive, um die Region zurückzuerobern. Bergkarabach selbst bezeichnet sich als unabhängig, in einer UN-Resolution wurde das Gebiet bis zu einer endgültigen Lösung des Konflikts Aserbaidschan zugesprochen. Konflikt spitzte sich auch militärisch zu

Unterdessen eskalierte der Konflikt in der Kaukasusregion auch militärisch immer weiter. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan warfen sich Anfang September vor, Soldaten der jeweils gegnerischen Seite getötet zu haben. Mehr dazu lesen Sie hier. Überprüfen ließen sich diese Angaben nicht.

Beobachter allerdings warnten schon in den vergangenen Wochen davor, dass Aserbaidschan einen Vorwand suchen könnte, um Bergkarabach anzugreifen. So wurde in den vergangenen Monaten vermehrt aserbaidschanisches Militär in der Grenzregion gesichtet.

"Mit Ausnahme des Kriegs im Jahr 2020 haben wir in mehr als sieben Jahren unserer Berichterstattung nie so viele Videos von Social-Media-Nutzern aus Aserbaidschan gesehen, die Militärpersonal, Kolonnen und Truppenbewegungen zeigen", schrieb etwa der "Nagorno Karabakh Observer" auf X, ehemals Twitter. Und ergänzte: "Schwer zu glauben, dass all das nur Übungszwecken dient." Armeniens Militär ist Aserbaidschans Militär deutlich unterlegen

Relevant dabei ist: Armeniens Militär ist dem seines Nachbarn deutlich unterlegen – ein Interesse daran, Aserbaidschan mit Angriffen zu provozieren, dürfte hier vermutlich deutlich geringer ausgeprägt sein als umgekehrt. Außerdem darf sich die aserbaidschanische Regierung in Baku der militärischen Rückendeckung der Türkei sicher sein.

Die Schutzmacht Armeniens hingegen ist Russland, dessen Soldaten eigentlich auch den Latschin-Korridor vor einer Blockade bewahren sollten. Doch in Moskau hält man sich zurück. "Russland hat eigene Interessen, die nicht unbedingt mit den Interessen der Armenier oder der Aserbaidschaner überlappen", sagte Politologe Stefan Meister zuletzt im Interview mit t-online – und erklärte, wie das mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu tun hat. Hier lesen Sie das ganze Interview.

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this post was submitted on 19 Sep 2023
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