Am Sonntag wählen zwei schwergewichtige Bundesländer mit 19 Millionen Einwohnern. Umfragen sagen der SPD ein doppeltes Debakel voraus. In der Kanzlerpartei dürfte es brennen. Für Olaf Scholz ist die Halbzeitwahl ein dramatische Zäsur, denn in seiner Amtszeit ist die AfD republikverändernd aufgestiegen.
Es wirkt wie eine kleine Bundestagswahl: Zur Hälfte der Ampel-Legislatur werden in zwei Kraftzentren der Nation die Wähler aufgerufen. In Bayern und Hessen leben 19 Millionen Menschen, beide Bundesländer sind wirtschaftlich stark, sozial dynamisch und globalisierungsoffen. Das moderne Deutschland geht also wählen - und allenthalben, im In- und Ausland wird die Doppelwahl auch als Volksurteil über die Ampelregierung in Berlin verstanden. Nach den Daten der Demoskopen bahnt sich dabei für die Ampelparteien eine deftige Denkzettelwahl an. Der SPD droht sogar ein regelrechtes Debakel.
Nach jüngsten Umfragen wird die SPD in Bayern sogar einstellig, bei nurmehr 9 Prozent landen. Das wäre ein Fanal im 13-Millionen-Einwohner-Freistaat. Denn der Kanzlerpartei droht damit zum zweiten Mal der Absturz auf den fünften Platz im Parteienranking. CSU, Freie Wähler, Grüne und und AfD dürften allesamt deutlich von der Scholz-Partei landen.
Das Bayern-Debakel wird durch die erwarteten SPD-Misere in Hessen noch verstärkt. Dort erwarten die Demoskopen nur noch 16 bis 17 Prozent für die Sozialdemokraten. Und das in ihrem einstigen Stammland, in dem die SPD mit Christian Stock, Georg-August Zinn, Albert Osswald, Holger Börner und Hans Eichel über Jahrzehnte hinweg die Ministerpräsidenten stellte.
Diesmal schickte die SPD mit Nancy Faeser eigens große Bundesprominenz in den Hessen-Wahlkampf. Die Bundesinnenministerin sollte gegen den wenig erfahrenen, kaum bekannten Kurz-Ministerpräsidenten Boris Rhein von der CDU leichtes Spiel haben. Doch das Gegenteil scheint einzutreten. Die SPD könnte auch in Hessen nicht nur von der CDU, sondern auch von Grünen und AfD eingeholt werden.
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Innerhalb der Ampel wird ab Sonntagabend 18 Uhr voraussichtlich der Streit der Koalitionäre neu und lautstark ausbrechen. Der Druck aus der Gesellschaft nach politischen Korrekturen in Berlin dürfte massiv steigen. Die SPD wird Schockwellen des Selbstzweifels erleiden. Für Olaf Scholz beginnt damit ein Überlebenskampf. Er hat drei Handlungsoptionen:
Erstens nutzt er das Debakel für einen personellen Neustart im Kabinett. Innenministerin Faeser dürfte nach dem Wahldebakel politisch kaum mehr im Amt haltbar sein. Ähnlich wie weiland Angela Merkel ihren NRW-Wahlverlierer Norbert Röttgen (auch er wollte mit Berliner Rückfahrkarte einen spitzfingrigen Landeswahlkampf bestreiten) feuerte, könnte auch Faeser nun Platz machen müssen für besseres Ministerpersonal.
Der Wechsel von Christine Lambrecht zu Boris Pistorius im Verteidigungsministerium hat gezeigt, welch positiven Effekt das haben kann. Womöglich wagt Scholz sogar eine größere Kabinettsumbildung als Zeichen des Neubeginns und schickt den zupackenden Pistorius ins Innenressort, um die Flüchtlingskrise zu managen - auch auf das persönliche Risiko hin, dass Pistorius als besserer Kanzlerkandidat für 2025 zur Konkurrenz heranwächst.
Zweitens wird Scholz bei drei Schlüsselthemen eine politische Kehrtwende wagen müssen. In der Migrationsfrage wird eine deutliche Begrenzung und Steuerung der unkontrollierten Massenzuwanderung zwingend erforderlich. Der Industriestandort Deutschland braucht zudem eine akute Wettbewerbsnothilfe. Und in der Energiefrage wird das Primat der Klimapolitik relativiert werden müssen.
Drittens könnte Scholz natürlich auch das machen, was er bislang immer in Krisen gemacht hat: Stillhalten und Durchwurschteln. Diese Strategie könnte für ihn noch einige Monate zum reinen Machterhalt weiter funktionieren. Seine Kanzlerschaft wäre dann aber definitiv 2025 zu Ende. Für Deutschland würde es zudem Agonie bedeuten, eine Vertiefung der Spaltung und ein weiteres Erstarken des Rechtspopulismus.
Einfach so ohne weitere Begründung eine Begrenzung der Migration (wie?) zu fordern ist politische Agitation, kein Journalismus. So stumpf sind ja sonst nicht mal die Verlautbarungen der Arbeitgeberverbände.