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Quelle: https://www.sueddeutsche.de/bayern/schulze-gruene-bayern-kritik-doppelspitze-1.6289877 (€)

Die Grünen setzen in der Fraktion voll auf Katharina Schulze. Ihr langjähriger Weggefährte Ludwig Hartmann wird mit einem schlechten Ergebnis für das Parlamentspräsidium nominiert. Die CSU sieht darin einen "Linksrutsch".

Von Andreas Glas und Johann Osel

Sie kommt allein. Katharina Schulze betritt die kleine Bibliothek im Münchner Werneck-Schlössl. Unter der Stuckdecke ist nur ein Tischchen aufgebaut, keine zwei, und im Grunde ist das schon die Botschaft des Tages. Die Grünen haben keine Doppelspitze mehr, Schulze ist jetzt allein die Nummer eins. "Sie kennen mich", sagt sie bei ihrem Presseauftritt am Mittwoch. Sie muss da selbst lachen, weil das der Spruch ist, mit dem Angela Merkel (CDU) mal geworben hat, die frühere Kanzlerin. Aber es liegt schon auch eine Erklärung in diesem Satz.

Ludwig Hartmann macht Platz für Katharina Schulze, die sich den Fraktionsvorsitz bislang mit ihm teilen musste. Das ist die offizielle Lesart einer eher überraschenden Personalie. Während Schulze die Landtagsfraktion nun allein führen wird, möchte Hartmann ins Parlamentspräsidium wechseln. Alles ganz einvernehmlich also, ganz harmonisch?

Hartmann hat die Personalrochade selbst vorgeschlagen. Doch wenn man in die seltsam missgelaunte Grünen-Fraktion horcht und das alles richtig interpretiert, gab es bei dieser Rochade mehr Konfrontation als nun alle behaupten. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass Schulze nach letztem Stand die besseren Chancen auf die Spitzenkandidatur bei der Bayern-Wahl 2028 hatte. Und Hartmann das wusste. Beide sind in der Partei beliebt und vernetzt, doch in der Wählerschaft ist Schulze wesentlich populärer, das zeigen alle Umfragen. Und das zeigen die persönlichen Ergebnisse der beiden bei der Landtagswahl vor eineinhalb Wochen. Hartmann holte knapp 69 000 Gesamtstimmen, Schulze fast viermal so viele: rund 263 000.

In diesen Zahlen liegt der Hauptgrund, weshalb sich die Grünen auf ihre Frontfrau "fokussieren", sie "nach vorne" stellen wollen, wie Schulze am Mittwoch sagt. Und bislang bestand für die Partei ja keine Notwendigkeit, sich auf eine Nummer eins festzulegen. Bei den Wahlen 2018 und 2023 traten Schulze, 38, und Hartmann, 45, als Spitzenkandidaten-Duo an, weil im theoretischen Fall eines Wahlsieges sowieso nur Hartmann Ministerpräsident werden konnte. Die bayerische Verfassung schreibt ein Mindestalter von 40 Jahren vor. Schulze wäre also zu jung gewesen. Bei der Wahl 2028 ist sie das nicht mehr.

Und trotzdem, überraschend ist Schulzes neue Solo-Rolle auch deshalb, weil die Grünen sich urplötzlich von einer Praxis verabschieden, die zum Identitätskern der Partei gehört: die Geschlechterparität. Seit 20 Jahren teilen sich in der Grünen-Fraktion eine Frau und ein Mann die Spitze. Das ist jetzt vorbei. Warum? Richtig konkret kann Schulze das am Mittwoch nicht erklären. Sie verweist lediglich darauf, dass es in anderen Bundesländern auch keine Doppelspitze in den Fraktionen der Grünen gibt.

Alles auf Schulze, das ist also der neue Plan der Grünen. Kann das funktionieren?

Ihre Bekanntheit bietet natürlich Chancen, der Partei noch mehr als bisher ein Gesicht zu geben. Dass der Fokus auf Schulze auch ein Risiko ist, zeigt aber schon die erste Reaktion der CSU. Von einem "Linksrutsch der Grünen" spricht CSU-Generalsekretär Martin Huber. Er sagt: "Selbst für die Grünen steht Schulze links außen. Ludwig Hartmann stand für einen bürgerlichen Ansatz, deshalb wurde er weg gemobbt." Mit Schulze an der Spitze "kommt die grün-linke Ego-Show". Schulze hat ihre Fans vor allem in den Städten

Schulze selbst sieht sich weder auf dem einen noch auf dem anderen Richtungsflügel der Grünen. Und innerhalb der Partei käme kaum jemand auf die Idee, Schulze als "Fundi" zu bezeichnen. Aber eines stimmt schon: Schulze hat ihre Fans vor allem in den Städten, während Hartmann derjenige war, der den Grünen auf dem konservativen Land ein Gesicht geben sollte. Diese Aufgabenteilung gibt es jetzt nicht mehr. CSU und Freie Wähler werden das sicherlich dankbar aufgreifen und die Fokussierung auf Schulze nicht nur als "Linksrutsch" etikettieren. Die Personalie passt ja auch wunderbar in deren Erzählung, dass sich die Grünen angeblich nur für die Städte interessieren.

Katharina Schulze weiß das. Wohl auch deswegen betont sie am Mittwoch, dass die Grünen zwar "Gegenentwurf zu CSU und Freien Wählern" (FW) seien - und trotzdem "die bürgerliche Kraft, die das Land vereinen" wolle. Sie spricht über Verbindlichkeit, über Anstand, über Respekt, "diese bürgerlichen Tugenden, die leiten mich", sagt Schulze. Dass beide Seiten nicht dasselbe unter Bürgerlichkeit verstehen, merkt man allerdings schon daran, dass die CSU vom "Linksrutsch" bei den Grünen spricht, während Schulze vor einem "Rechtsrutsch" warnt. Sie meint vor allem die AfD, aber teils auch CSU und FW, das hat sie im Wahlkampf schon durchblicken lassen.

Schulzes Wahl fand bei der konstituierenden Klausur der neuen Grünen-Fraktion statt, die von 38 auf 32 Abgeordnete geschrumpft ist. Viertstärkste Fraktion statt Oppositionsführerin, das ist das bittere Resultat der Landtagswahl, bei der die Grünen 3,2 Punkte verloren haben. Hatte die Partei 2018 noch 17,6 Prozent geholt, waren es jetzt nur noch 14,4. Welche Konsequenzen ziehen die Grünen daraus? Was muss sich ändern? Welche Fehler hat die Partei gemacht? Man habe es "nicht so gut geschafft, mit bayerischen Themen durchzudringen"

Alles Fragen, die bei der Grünen-Klausur laut Schulze "intensiv" diskutiert wurden. Man habe es "nicht so gut geschafft, mit bayerischen Themen durchzudringen", sagt die Fraktionschefin am Mittwoch. Auf diese bayerischen Themen wolle man künftig noch klarer "den Fokus" setzen. Die Themen, die Schulze dann auflistet, sind im Wesentlichen jene, die man schon kennt von den Grünen: Klima und Wohlstand schützen, Familien stärken, Demokratie verteidigen. CSU und FW nennt Schulze eine "Weiter-so-Koalition". Machen die Grünen auch einfach so weiter? Immerhin, beim Thema Migration wird Schulze deutlicher. Neben den Menschenrechten betont sie auch "Menschenpflichten". Alle müssten sich an die Regeln des Zusammenlebens halten. Für diejenigen, die sich nicht daran halten, müssten Strafen "konsequent durchgesetzt und durchgeführt werden".

Und Ludwig Hartmann? Tritt nicht in Erscheinung an diesem Mittwoch. Während Schulze bei ihrer neuerlichen Wahl zur Fraktionschefin 29 von 32 Stimmen bekommen hat, wurde Hartmann lediglich von 17 der nun 32 grünen Landtagsabgeordneten fürs Parlamentspräsidium nominiert. Es gab eine Gegenkandidatur, Gülseren Demirel wollte ebenfalls Landtagsvizepräsidentin werden. Alles einvernehmlich und harmonisch? Hinter den Kulissen sind sich die Grünen dann doch nicht so grün.

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