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Für mehrere Parteien begann das Jahr mit unerwartet vielen Neueintritten. Vor allem AfD und Grüne profitieren davon. Doch die Krise der repräsentativen Demokratie dauere dennoch an, sagt Parteienforscher Höhne.

Tausende Menschen drängen in große Parteien. Mehrere von ihnen erhalten seit einigen Wochen verstärkt neue Mitgliedsanträge.

Ausgelöst hat das offenbar die Correctiv-Recherche über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern, Rechtsextremen und anderen Personen zu mutmaßlichen Vertreibungsplänen in Potsdam.

Vor allem wachsen zwei Parteien: Bündnis 90/Die Grünen und die AfD selbst.

Bei den Grünen traten zwischen Jahresbeginn und vergangenen Mittwoch 2.600 Menschen ein, wie die politische Bundesgeschäftsführerin der Partei, Emily Büning, mitteilte.

Neuere Zahlen will die Partei nicht kommunizieren. Der Trend halte aber an, so eine Parteisprecherin zu tagesschau.de.

Die Aufnahme in die AfD beantragten in diesem Jahr bislang etwa 3.300 Menschen, antwortet die Pressestelle der Partei auf Anfrage. Rund 2.700 Anträge davon seien nach Erscheinen der Correctiv-Recherche am 10. Januar eingegangen.

Etwa 1.070 Anträge hat die Linkspartei allein online seit Januar erhalten, so ein Parteisprecher. Rund 870 Neueintritte davon wurden ab dem 10. Januar beantragt. Für alle drei Parteien liegen die Eintrittszahlen deutlich über denen der Vorjahre.

Die SPD teilt auf Anfrage mit, dass insbesondere in der zweiten Januarhälfte die Anzahl an Parteieintritten auffällig hoch gewesen sei.

Man gehe davon aus, dass sich die Beitrittszahlen "gegenüber einem durchschnittlichen Vormonat verdreifacht haben", sagte ein Sprecher. Exaktere Zahlen könnten jedoch "allein schon aufgrund der gebotenen Sorgfalt" bei der Bearbeitung der Anträge nicht seriös angegeben werden.

Auch CDU und CSU berichten über ein verstärktes Interesse. Die FDP will laut ihrer Pressestelle grundsätzlich keine Zwischenstände bekannt geben.

Für den Parteienforscher Benjamin Höhne von der Universität Magdeburg kommt die Entwicklung nicht überraschend. Die Mobilisierung von Parteien steige oft in Wahljahren oder rund um besondere Ereignisse, so Höhne.

Auch dafür, dass es Menschen nun vor allem zu den Grünen und in die AfD zieht, gebe es Gründe. Beide bildeten "gesellschaftspolitisch die klarsten Gegenpole", sagt Höhne.

Die Grünen markierten mit ihrem Programm libertär-progressive Positionen für sich, die AfD vertrete hingegen regressiv-autoritär-konservative Forderungen.

Alle anderen Parteien bewegten sich irgendwo dazwischen. Grüne und AfD profitierten somit ein Stück weit "von einer gesellschaftlichen Zuspitzung".

Daran ändert im Fall der Grünen offenbar auch die hohe Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition im Bund nichts. Man könne Umfragewerte nicht mit der Mitgliederentwicklung von Parteien gleichsetzen, sagt Höhne. Wahrscheinlich seien viele Eintritte "politische Bekenntnisse für ein offenes Deutschland".

Für die AfD steht der aktuelle Zuwachs in direktem Zusammenhang mit der jüngsten Berichterstattung über sie und die folgenden Massendemos.

Höhne rät zur generellen Vorsicht bei Angaben der Partei. Sollten deren Aussage aber stimmen, dann dürften viele Eintritte Solidarität ausdrücken. "Manche sehen die Partei als unfair behandelt", sagt Höhne. "Dies ist eine Kehrseite der Brandmauer gegen rechtsaußen."

Die AfD war bereits im vergangenen Jahr stark gewachsen. In Thüringen wuchs der Landesverband um etwa 300 Mitglieder auf etwa 1.600, berichtet der MDR.

In Brandenburg stieg die Mitgliederzahl laut Berliner "Tagesspiegel" um 700 Mitglieder auf knapp 2.200. Bundesweit wuchs die Partei nach eigenen Angaben in nur einem Jahr um rund ein Drittel auf knapp 40.000 Mitglieder.

Laut verschiedener AfD-Funktionäre treten seit der Landratswahl in Sonneberg auch zunehmend Unternehmer und Menschen aus Verwaltungen in die Partei ein.

In dem thüringischen Landkreis stellt die AfD seit Juni erstmals einen Landrat. Die in Teilen rechtsextreme Partei habe sich dadurch für viele normalisiert, heißt es aus AfD-Parteikreisen.

Andere Parteien konnten 2023 nur in einzelnen Ländern wachsen oder stagnierten in ihrer Mitgliederzahl.

Das gilt auch für die Grünen, die sich in den fünf Jahren zuvor nahezu auf etwa 126.500 Mitglieder verdoppelt hatten. Bei SPD und FDP sank die Mitgliederzahl bundesweit.

Die Zahl der in Parteien engagierten Menschen ist seit Jahrzehnten rückläufig. Ende 2022 lag sie für die sieben im Bundestag vertretenen Parteien bei nur noch 1,17 Millionen. Die größte Partei war damals die SPD mit knapp 365.200 Mitgliedern.

Viele Parteien rufen jetzt gezielt zu Eintritten auf. So setzt der SPD-Politiker und Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, in der ARD-Sendung hart aber fair darauf, dass aus den aktuellen Protesten auch eine "eine Form des Mitmachens und Beteiligens" entstehe.

Die Ostdeutschen hätten sich "1989 die Demokratie erkämpft - und müssen sie 2024 verteidigen", so Schneider weiter.

Brandenburg, Sachsen und Thüringen wählen im September einen neuen Landtag. In zahlreichen Bundesländern finden dieses Jahr zudem Kommunalwahlen statt. Bundesweit steht Anfang Juni die Europawahl an.

Für Neumitglieder böten sich durch die Wahlen "viele Chancen zur Partizipation", sagt Parteienforscher Höhne.

im Wahlkampf brauche es helfende Hände etwa für Infostände, bei Veranstaltungen oder beim Plakatehängen. "Im Grunde kann sich jede und jeder einbringen", so Höhne.

Höhne mahnt allerdings zur Vorsicht bei der Bewertung der aktuellen Zahlen. Noch lägen keine umfassenden empirischen Daten vor.

Und nicht wenige Neumitglieder würden sich als Eintagsfliegen entpuppen, wenn sie erst einmal mitbekämen, was Parteiengagement in der Praxis bedeute.

In den Parteien fehle zudem oft eine Willkommenskultur. "Als Parteienforscher bin ich deshalb nur verhalten optimistisch, dass sich der Trend verstetigt", so Höhne.

Auch die Krise der repräsentativen Demokratie sei durch Parteieintritte und Massendemonstrationen "keinesfalls beendet". Höhne empfiehlt, Partizipationsmöglichkeiten auch außerhalb der Parteien auszubauen. "Die Menschen müssen sich in ihrer Demokratie wieder mehr wiederfinden können."

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[-] dichotomiker@dresden.network 1 points 9 months ago* (last edited 9 months ago)

@federalreverse

  1. Jeder politische Begriff taugt als Propagandabegriff und umgekehrt.
  2. Ich will hier keinen Roman schreiben sondern nur kurz die Parteien der alten Bundesländer nennen. Bin bereit, andere knappe zutreffende Begriffe zu übernehmen.
  3. Ja das Bild wird offenbar ausgetauscht, wenn die Ansicht schmal genug ist. Ist mir neu und finde ich bedenklich. Smartphone-Nutzer (von der Anzahl her deutlich mehr als PC-Nutzer) bekommen also medial trotz gleicher Quelle etwas anderes präsentiert.
  4. Im Alt-Text steht nur etwas von Plakaten der Grünen und der AfD.

<edit>(Ja, ich gebe den Medien die Schuld. Niemand sonst ist für die (Falsch-)Wahrnehmung der Lage verantwortlich.)</edit>

[-] federalreverse@feddit.de 3 points 9 months ago

Jeder politische Begriff taugt als Propagandabegriff und umgekehrt.

"Altparteien" wird von einer ganzen Latte an rechtsextremen Organisationen (NPD/REP/PRO xyz-Stadt/Pegida/AfD) seit Jahren benutzt, um alle anderen Parteien als veraltet/gescheitert zu bezeichnen und damit die bundesdeutsche Demokratie zu delegitimieren.

[-] dichotomiker@dresden.network -2 points 9 months ago

@federalreverse Das ist aus meiner Sicht ein Irrtum.

this post was submitted on 02 Feb 2024
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