In Marseille wird gegen vier Polizeibeamte ermittelt, die in den Krawallnächten im Einsatz waren. Der Polizeichef verlangt ihre sofortige Freilassung.
Nicht nur der Tod des jungen Nahel, der Ende Juni in Nanterre bei einer Kontrolle von einem Streifenpolizisten erschossen wurde, wird gerichtliche Folgen haben. Auch in Marseille ermittelt die Justiz gegen Polizeibeamte, die bei den Krawallen im Einsatz waren, wegen des Verdachts auf schwere Körperverletzung. Was in einem Rechtsstaat selbstverständlich ist, erregt in Kreisen der französischen „Ordnungshüter“ Anstoß. Alleine schon der von den Medien verwendete, aber pauschale Begriff „Polizeigewalt“ sei absurd und eine Beleidigung der staatlichen Autorität.
In Marseille demonstrieren Polizisten offen gegen die Eröffnung von Gerichtsverfahren gegen vier ihrer Kollegen. Und dass einer von ihnen aufgrund einer richterlichen Anordnung bis zum Prozess in Untersuchungshaft sitzt, erscheint ihnen unvorstellbar. Die Polizeigewerkschaften verlangen die sofortige Freilassung.
Seit Wochenbeginn haben sich Dutzende von Beamten aus Solidarität mit ihm krank geschrieben oder leisten nur Dienst nach Vorschrift. In der Folge ist die Aktivität in den Kommissariaten auf ein striktes Minimum reduziert. Es geht den Polizeibeamten ums Prinzip, um einen Präzedenzfall.
Die Debatte hat sich deshalb auf das ganze Land ausgedehnt, weil nun auch der Chef der nationalen Polizei, Frédéric Veaux, die polizeilichen Proteste gegen die Justiz unterstützt hat. In einem Interview sagte er, es gehe nicht an, dass ein Polizist, auch wenn er im Dienst einen schweren Fehler begangen habe, in Untersuchungshaft gesteckt werde. Gibt es also für die Polizei, die in einem demokratischen System ein Gewaltmonopol im Namen des Volkes besitzt, bei Verstößen gegen Regeln und Gesetze eine Sonderbehandlung?
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Wenn das alle so machen würden, dann würde vermutlich auch niemand von denen in Untersuchungshaft sitzen.