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Arzt: "Lebensmittelkonzerne machen uns gezielt abhängig von ungesundem Müll"
(www.derstandard.at)
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Ich hab die Tage das Channel 4 Interview mit ihm gesehen, wenn du 40 Minuten entbehren kannst: https://youtu.be/l3U_xd5-SA8 Ich glaube in dem spricht er eben genau den Unterschied zwischen selbstgemacht mit viel Butter und industriell hergestellt mit günstigen Pflanzenfett + Emulgator an. Nagel mich nicht drauf fest, hab zwei oder 3 Interviews mit ihm gesehen.
Du folgst in deiner Argumentation halt grade der Lebensmittel-Industrie (Produktionshilfsstoffe, der Konsument ist selber Schuld, wenn er das isst). Die individuelle Willensstärke wird die Epidemie der Fettleibigkeit aber nicht stoppen. Die Parallele die er zum Tabak zieht überzeugt mich. Das darzustellen und darauf hinzuweisen, dass eben nicht dass Verhalten des Süchtigen, sondern der Verkäufer des Suchtmittels, der sich am Süchtigen bereichert, das größere Problem ist, finde ich weder moralistisch noch falsch.
Soll sie auch nicht.
Ich lehne halt den moralisch aufgeladenen Suchtbegriff als Ganzes ab. Es gibt einen Konsumenten, der den Wunsch hat, etwas zu konsumieren, und es gibt einen Anbieter, der ihm diesen Wunsch erfüllt, und keiner von beiden tut per se etwas moralisch verurteilenswertes. Wie sehr mein Wunsch nach Nahrungs- oder Drogenkonsum mit meinen Wünschen bezüglich körperlicher Gesundheit, beruflichem Erfolg, sozialer Akzeptanz etc. interferiert, und wo ich meine Prioritäten setze, muss ich mit mir selbst ausmachen. Die "Schuld" vom Konsumenten auf den Anbieter abzuwälzen erscheint ja nur deshalb als moralisch überlegene Aktion, weil man dem Konsumenten überhaupt Schuldgefühle wegen seines Konsums eingeredet hat.
Dicke Menschen sind weder verachtenswerte willensschwache Kaloriensünder, noch unschuldige Opfer der Nahrungsindustrie. Es sind Menschen, die im Leben andere Prioritäten gesetzt haben als ich, und ich akzeptiere sie so, wie ich mir auch wünsche, dass sie meine Lebensentscheidungen akzeptieren.
Und bevor das Argument kommt, dass Übergewicht in einem solidarischen Gesundheitssystem eine Last für alle ist: Ja. Aber wenn ich im Leben einige Entscheidungen anders getroffen hätte, würde ich jetzt vielleicht viel mehr Geld verdienen und entsprechend auch viel mehr in die Solidarsysteme einzahlen. Ich möchte nicht, dass mir jemand einen moralischen Vorwurf macht, dass ich dem Sozialstaat zu wenig einbringe, entsprechend kann ich auch niemandem einen Vorwurf machen, dass er den Sozialstaat zu viel kostet.
Du sprichst den Menschen in deiner Sichtweise wesentlich mehr Kontrolle über ihr Handeln zu als die meisten haben. Dein Schluss daraus ist logisch sicher richtig, basiert aber auf der falschen Prämisse: Die meisten Menschen setzen eben nicht andere Prioritäten, sondern haben schlichtweg keine andere Wahl, insbesondere in Bezug auf die Auswahl ihrer Lebensmittel. Mit andern Worten: Du sagst sehr wohl, dass die Willenskraft der Menschen (ihre Prioritäten) sie vor Fettleibigkeit bewahren soll.
Das ist ein Menschenbild, das schlichtweg mit der Realität wenig zu tun hat.
Die einzigen Menschen, die keine Wahl haben, was sie essen, sind Häftlinge und Kinder, die essen müssen, was der Gefängniswärter bzw. Mama auf den Tisch bzw. in die Essensklappe der Zellentür stellt.
Klar kann sich nicht jeder Mensch jedes Essen leisten. Aber die Leute, die Cola und Burger essen, tun das nicht, weil sie sich Wasser und Brot nicht leisten können, sondern weil sie die Priorität setzen, dass das Essen "gut schmecken" soll oder dass sie die gesellschaftliche Erwartung "was richtiges mit Fleisch zu essen, damit du groß und stark wirst" erfüllen wollen. Das sind Prioritäten. "Das Buch ist grad so spannend; das ist jetzt wichtiger als Abendessen; ich ess dann vor dem Einschlafen noch einen kleinen Joghurt, damit der Magen nicht allzu sehr knurrt" ist auch eine Priorität. Die sucht man sich vielleicht nicht aus; manche Menschen haben aufgrund ihrer Persönlichkeit manche Prioritäten fest eingebaut, aber das macht für mich keinen Unterschied; ich setze mir zum Ziel, die freien Entscheidungen anderer Menschen genauso wie ihre angeborenen Eigenschaften zu akzeptieren und zu respektieren, sofern sie mich nicht direkt beeinträchtigen.
Ich will ja gar niemanden vor Fettleibigkeit bewahren. Das Problem tritt ja erst auf, wenn man Übergewicht moralisch negativ auflädt, und dann den Menschen sagt "das ist deine Schuld, weil du nicht willensstark genug bist, das zu essen, was du essen solltest".
Wenn Leute sagen "ich bin dick, und ich gefalle mir so, wie ich bin, auch wenn das nicht der gesellschaftlichen Erwartung entspricht" - dann ist das für mich in Ordnung und man muss ihnen deswegen keine Schuldgefühle einreden (sie sollen aber auch bitte keine dünnen Menschen beleidigen). Wenn Leute sagen "ich bin dick, und wenn ich es mir frei aussuchen könnte, wäre ich gern schlanker, aber ich konzentriere meine Anstrengungen lieber auf andere Dinge im Leben" - dann ist das auch in Ordnung.
Wenn Leute sagen "ich bin dick, und ich wäre so gern schlanker, aber ich schaffe es einfach nicht, mich anders zu ernähren" - dann brauchen sie definitiv Hilfe. Entweder dabei, ihr Ziel zu erreichen, oder dabei, ihren Zustand zu akzeptieren.
Moralismus ist, wenn man vorgibt, was die Menschen sollen, ihnen dann pauschal unterstellt, dass sie das eigentlich auch wollen (und wenn nicht, sind sie entweder böse oder sie werden manipuliert), und ihnen dann anbietet, die ganze Gesellschaft nach diesem Bedürfnis umzubauen und alle "Versuchungen" aus der Öffentlichkeit zu entfernen. Und ich bin halt der Meinung, dass der Mensch - solange er niemand anderen beeinträchtigt - gar nichts soll, außer zu tun was er will und zu wollen was er tut.
Ich glaub wir haben eklatant unterschiedliche Sichtweisen wie die Welt ist. Ich tipp mir jetzt aber nicht weiter die Finger wund.
Falls wir uns mal über den Weg laufen, können wir das gern vertiefen.
Ich hoffe dein selbstgebackenes Brot schmeckt dir, egal wieviel Salz drin ist.